: »Ein bisschen wie nach Hause kommen«
Zum 3. Sinfoniekonzert der Staatskapelle: Im Gespräch mit Dirigent Hartmut Haenchen
Herr Haenchen, könnten Sie uns zu Beginn einmal eine Vorstellung davon geben, was das Publikum im dritten Sinfoniekonzert der Staatskapelle erwarten wird?
Es ist ein heftiges Programm, sage ich mal. Insofern als es alles Werke sind, die Komponisten am Ende ihres Lebens geschrieben haben. In einer Zeit wo sie natürlich den ganzen Reifeprozess durchgemacht haben. Wir können also sozusagen die Ergebnisse eines Komponistenlebens – oder in dem Fall von drei Komponisten – dem Publikum zu Gehör bringen. Das ist natürlich ein sehr spannendes Unternehmen. Zu hören gibt es Wagner, Strauss und Schostakowitsch.
Den „Parsifal“ haben Sie ja 2016 und 2017 in Bayreuth geleitet. Im 3. Sinfoniekonzert hören wir das Vorspiel zum 1. Aufzug des Bühnenweihfestspiels. Was ist für das Besondere an diesem Werk?
Es ist die letzte Oper von Wagner und macht für mich ganz besonders die Genialität von Wagner deutlich. Das ist das einzige Werk, das er geschrieben hat, wissend wie die Akustik in Bayreuth ist. Und deswegen ist die Instrumentation schonmal ganz anders als bei seinen früheren Werken. Er reagiert auf das, was er in dem Saal hört, indem er seine eigene Kompositionsweise komplett umstellt – viel ausgesparter als frühere Werke. Und er nutzt auch die Zeit der Pausen, in keinem anderen Werk bei Wagner ist das so deutlich wie hier. Die Musik entwickelt sich in den Pausen weiter: Wir hören nur im Geiste etwas, was eigentlich live nicht hörbar ist. Das macht das Stück so spannend. Und auch zu einer großen Herausforderung für den Dirigenten, der genau diesen Spannungsprozess über die Pausen – die ja, wie man sagt, das Wichtigste in der Musik sind – hinaustragen muss. Das macht Parsifal für mich wirklich äußerst interessant und spannend.
Sie haben ja schon häufiger mit der Staatskapelle zusammengearbeitet, haben selber längere Zeit in Halle gewirkt. Wie ist es für Sie, anlässlich dieses Konzerts wieder mit der Staatskapelle zu arbeiten? Was verbindet Sie mit dem Orchester?
Es fühlt sich ein bisschen an wie nach Hause kommen. Auch weil wir gerade in letzter Zeit Verschiedenes miteinander gemacht haben. Wir waren mit dem Verdi-Requiem in Pisa zum Festival Anima Mundi, wo wir das Abschlusskonzert gespielt haben. Und ich habe die 8. Sinfonie von Bruckner vor nicht allzu langer Zeit gemacht. Das sind also keine Riesenabstände wie zu anderen Konzerten, die ich davor hatte. Da sind auch mal ein paar Jahre dazwischen gewesen. Jetzt ist es einfach wie nach Hause kommen.
Mit welchem Gefühl, in welcher Stimmung würden Sie das Publikum nach dem Konzert denn gerne aus dem Konzertsaal entlassen?
Ich denke, ich schicke sie gerne mit einer nachdenklichen Stimmung in den Abend. Und vielleicht hilft es da, ein bisschen etwas über das Werk von Schostakowitsch zu sagen. Das ist ja seine letzte Sinfonie und er hatte ursprünglich die Idee, ein heiteres Werk zu schreiben. Das hört man im ersten Satz auch noch ein bisschen. Da kommen auch Kindheitserinnerungen mit Zitaten von Wilhelm Tell, von Rossini sehr überraschend und plötzlich nach oben. Er ist dann aber während des Schreibens der Sinfonie noch schwerer krank geworden, als er es schon war und er sah deutlich sein Lebensende vor sich. Und ab da schwenkt das Werk um in eine sehr nachdenkliche Stimmung. Wir hören Todesverkündigungen aus der Walküre. Wir hören Tristans Sehnsuchtsmotiv. Er zitiert auch sich selber mit Lady Macbeth, mit dem Cello-Konzert. Es sind also sehr viele Zitate und es hilft einem natürlich, wenn man die kennt. Aber die Musik für sich spricht schon so viel: auch wenn man sie nicht kennt, wird man diese Stimmung haben. Das Stück endet schließlich mit einer Herz-Lungen-Maschine, die plötzlich aufhört. Also das ist schon wirklich der Tod. Das ist ja der Satz, der am Schluss von den Strauss-Liedern gefragt wird: Ist das der Tod? Und das ist bei Strauss noch die Frage, bei Schostakowitsch ist es die Antwort. Und insofern, gerade in einer Zeit in der doch sehr viel Tod um uns herum ist, der menschengemacht ist, ist das schon ein sehr denkwürdiges Konzert.
Herr Haenchen, vielen Dank für das Gespräch.